Folge 5: Jazzförderung: Thomas Bosch vom BMFSFJ und der Jazztrompeter Michael Langkamp im Gespräch
Shownotes
Wie kann man die Talente, die in jedem Kind stecken, wecken? Wie kann Förderung für junge Musiker:innen aussehen? Welche Erfahrungen machen junge Jazzmusiker:innen, zum Beispiel im Bundesjazzorchester? Was nimmt man davon mit für die spätere Musiker:innenkarriere?
Im Dezember gastierte das Bundesjazzorchester gemeinsam mit dem Bundesjugendorchester und dem Bundesjugendchor bei der Endrundenauslosung der UEFA EURO 2024 in der Elbphilharmonie Hamburg. Anlässlich dieses besonderen Events traf Sarah Seidel auf Thomas Bosch vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und den Jazztrompeter und Kulturmanager Michael Langkamp.
Musik: Ole Sinell: „Mit dem Rollator über Rot“ Bundesjazzorchester Niels Klein (Leitung)
Bernice Petkers / Francy Boland: „Lullaby of the Leaves“ Bundesjazzorchester Jiggs Whigham (Leitung)
Jerome Kern / Darmon Meader: „The Song Is You" Bundesjazzorchester Jiggs Whigham (Leitung)
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PODCAST
Folge 5
Gemeinsam für Musik der Podcast des Deutschen Musikrates.
In dieser Folge ein Gespräch mit Thomas Bosch vom Bundesfamilienministerium und dem Jazztrompeter und Kulturmanager Michael Langkamp. Ich bin Sarah Seidel und habe die beiden am 1. Dezember 2023 in der Hochschule für Musik und Theater Hamburg getroffen. Thema „Musikförderung“. Auf dem Programm einen Tag später: die Auslosung der Gruppen für die Fußball EM 2024. Bei dieser Veranstaltung in der Hamburger Elbphilharmonie standen junge Musikerinnen und Musiker aus 3 Ensembles gemeinsam mit Sport und Musikprominenten auf der Bühne. Aus dem Bundesjugendorchester, dem Bundesjugendchor und dem Bundesjazzorchester, kurz BuJazzO.
Ein erste Frage an Sie Herr Bosch: ein Sportevent dieser Dimension mit Live-Übertragung im Fernsehen und im Stream - also sehr exponiert - und dabei 3 Jungmusiker-Ensembles, wie kommt es dazu?
Zunächst mal freuen wir uns natürlich riesig, dass das morgen möglich wird und ich denke, alle Akteur:innen sind auch schon ganz aufgeregt, wie das morgen über die Bühne gehen wird. Live vor einem Millionenpublikum, letztendlich, ist ja eine tatsächlich besondere Begegnung.
Es gab Kontakte einerseits des Deutschen Musikrates mit der UEFA und der UEFA Euro GmbH und auf der anderen Seite mit dem Bundesfamilienministerium. Wir fördern ja sozusagen und unterstützen den Deutschen Musikrat bei der Umsetzung der Aktivitäten des Bundesjazzorchesters, Bundesjugendorchesters und des Bundesjugendchors. Und insofern waren wir an der Stelle mit im Boot, um mit der UEFA zu besprechen: Gibt es denn nicht Möglichkeiten zusammenzufinden, wenn in Deutschland ein so großes Event stattfindet. Und Martin Kahlen, der damals mit am Tisch saß, war von der Idee ganz begeistert. Nämlich junge, erfolgreiche Musiker:innen an der Spitze ihres Schaffens auf der einen Seite und Fußballer, die sozusagen um einen Pokal spielen und hochprofessionell sind viele Jahre lang, dafür trainiert haben und jetzt diese Europameisterschaft spielen und erleben dürfen - da trifft sich doch was. Und aus dieser Überlegung, aus dieser Idee heraus ist es entstanden, sozusagen.
Jetzt könnte man natürlich mit dem klassischen professionellen Orchester so eine Auslosung bestreiten. Aber die Idee war so charmant, dass man sich dann entschieden hat, aus diesen 3 Ensembles ein Auswahlensemble mit auch einer eigenen Komposition zu schaffen für den morgigen Tag. Und darauf freuen wir uns jetzt.
Ganz generell von Ihnen noch einmal der Aspekt „Sport und Musik“. Was haben die womöglich gemeinsam oder was geht dabei so gut zusammen?
Ich arbeite ja im Familienministerium, in der Kinder- und Jugendabteilung, bin dabei im Fokus zuständig für außerschulische Kinder- und Jugendbildung. Und damit erklärt es sich ja auch schon ein bisschen. Ich glaube sowohl Musik als auch - kulturelle Bildung ist immer so ein bisschen sperriger Begriff - aber alles was mit Musik und mit Kultur - ob Theater oder wie auch immer - zu tun hat und Sport, sind natürliche Dinge, die in jedem Kind vorhanden sind. Es sind… bei jedem Kind sind bestimmte Talente da und es geht immer um die Frage: welche Möglichkeiten, welche Zugänge hat man. Es geht immer um eine Form von Talententdeckung, -entfaltung, Gemeinschaft. Und das ist in der Musik der Fall, wenn du im Ensemble spielst, wenn du im Quartett spielst - wie auch immer. Das ist im Theater der Fall, wenn du im Ensemble auf die Bühne gehst. Das ist im Sport der Fall. Auch wenn du Individualsportarten hast, bist du trotzdem in einer Gruppe und trainierst. Und insofern, da ist immer das verbindende Glied und wir alle haben das sozusagen in uns und es geht immer um die Frage: Schafft man es auch diese Chancen zu bieten, die jedes Kind in diesem Land auch verdient hat?
Sie haben jetzt schon davon erzählt, wie die Förderung ansetzen soll. Es geht ja natürlich auch ganz viel um die Begleitung von Förderungsprozessen, aber wo wollen sie am Ende damit hin, wie soll das sichtbar werden?
Unser Ziel, unser Wunsch ist natürlich, in die Breite wirken zu können, alle erreichen zu können. Und das ist natürlich in einer Phase - jetzt auch die wir hatten mit der Pandemie und auch danach - nicht so ganz einfach. Es war in der Pandemie gar nicht möglich. Das heißt, da fehlen uns 2 - 3 Jahre. Das heißt, es gibt Nachholbedürfnisse für die, die damals nicht sich entwickeln konnten. Und es fehlt uns aber auf der anderen Seite natürlich auch eine Engagementstruktur, die das möglich macht, ne, und das ist das, wo wir ansetzen wollen. Aber einfach ist es nicht.
Wir haben hier mit Michael Langkamp jemanden dabei, der tatsächlich selber Jazzförderung erfahren hat. Sie sind Jazzmusiker, ausgebildeter, und arbeiten aber heute auch in verschiedenen Feldern. Wie haben Sie Jugendförderung erhalten und durchlaufen und in welchem Alter auch schon?
Also die Jugendförderung fühlt sich ja als Jugendlicher gar nicht als Jugendförderung an. In diesem Fall war es so, dass ich halt mit 18 Jahren, glaube ich, ins Landesjugendjazzorchester in NRW gekommen bin und bei Jugend jazzt mit 17, glaub ich, mitgemacht habe.
Und danach hab ich die klassische Karriere, die ja die Jugendorchester quasi so vorgeben, einfach mitgemacht. Dann irgendwann war es das BuJazzO, zwischendurch hab ich angefangen zu studieren. Und es ergeben sich halt einfach immer so Geschichten und irgendwann, dann nach dem BuJazzO - das hat Dominik damals auch immer gesagt, Herr Seidler (Anmerk. der Red.: Herr Seidler ist die Projektleitung der Jazzprojekte)- ist das, was ihr hier habt irgendwie, die Bands mit denen ihr hier spielt, das ist erstmal das Beste, was ihr dann erstmal für eine Zeit lang macht. Danach gibt es nämlich nur noch die Rundfunk-Big Bands und -Orchester. Genauso war es bei mir halt auch. Also ich hab halt dann einfach mit 17 Jugend jazzt gespielt und bin dann halt ins Landesjugendjazzorchester gekommen. Und das fühlte sich einfach an, als wären das halt so Bands, in denen man spielt. Fühlt sich halt nicht nach Jugendförderung an und man hat das auch nicht so auf den Schirm, dass das was Besonderes ist, hinter dem Strukturen stecken, hinter denen Gelder stecken. Das nimmt man ja als Siebzehnjähriger gar nicht wahr oder als 18jähriger.
Also das Bundesjazzorchester als Startrampe auch für Musikerkarrieren. Und wir haben viele prominente Musiker sehen können, die Karriere gemacht haben, nachdem sie im BuJazzO waren - das war zum Beispiel auch Till Brönner – diese Plattform ist immer hilfreich. Aber noch mal: was ist denn der Reiz überhaupt am Jazz oder das Besondere daran? Und was macht das bei Ihnen, beispielsweise, an der Spielhaltung aus?
Also das Besondere am Jazz ist ja eigentlich diese Interaktion und die Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren, die relativ frei miteinander spielen. Also ohne diesen - wir nennen es - INI-Approach: Improvisation, Notation und Interpolation, bei denen quasi Noten aufgeschrieben werden und dann am Ende nur noch wiedergegeben werden. Sondern im Jazz spielt man mehr oder weniger sehr frei miteinander und hat die Möglichkeit, wie in einem Gespräch, miteinander zu kommunizieren und aufeinander einzugehen während man spielt. Das ist in der klassischen Musik nicht zwingend immer so. Und diese soziale Komponente auch bei der Interaktion, die ist auf jeden Fall im Jazz ganz wichtig. Darüber hinaus hat Jazz auch einfach so eine Art , wir nennen es Forschungskomponente, bei denen quasi einfach verschiedene Spielfelder, verschiedene Möglichkeiten erforscht werden. Und auch die Fusion von verschiedenen Stilistiken miteinander erforscht wird. Wie kann ich indische Musik zusammenbringen, mit afrikanischer Musik zusammenbringen, mit Jazz-Elementen . Diese beiden Aspekte, die sind eigentlich das Interessanteste für mich im Jazz, dieser soziale Aspekt mit der Improvisation, mit der Kommunikation und dann auch einfach dieser Entdeckungsreiz, dieses spielerische, was kann ich neu entdecken?
Jetzt ist es aber so, die Jazzmusiker sind sehr gut ausgebildet und kommen aus Bildungsbürgerhaushalten. Da gibt es ja oft sowieso schon eine Affinität zur Musik, zur Klassik beispielsweise und zum Jazz. Herr Bosch, wie sieht das im Bereich der sozial benachteiligten Familien aus, wo finden da Förderungen statt, wie sprechen Sie diese Menschen an und wo kommen Sie an die ran?
Für uns als Bund und als Bundesfamilien- und Bundesjugendministerium, uns geht es natürlich vor allem darum, sagen wir mal, die Infrastruktur in der Vielfalt zu stärken. Also es heißt vielfältige Angebote zu ermöglichen und, ähm, die Kinder- und Jugendarbeit und Kinder- und Jugendhilfe sozusagen in all diesen Bereichen. Dass eine Angebotsstruktur da ist, dass man an die Kinder und Jugendlichen oder - wenn man sie nicht direkt erreicht - über ihre Eltern oder über den pädagogischen Betrieb oder, oder, oder, an die letztendlich herankommt und sagt, hier gibt es ne Möglichkeit, das könnt ihr machen.
Wir haben zum Beispiel im Rahmen einer Kampagne „Mach mal mit“ in diesem Jahr mit der Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung noch mal so ne , so ne große Deutschlandkarte gemacht, wo man sozusagen suchen kann: wenn ich Interesse XYZ habe, wo kann ich, an wen kann ich mich wenden. Damit fängt es ja schon an, ne? Also wenn es zu Hause schon gegeben ist, ja klar wo du hingehst, dann gehst du in die Musikschule, dann kümmert sich jemand drum, dann findet er das irgendwie raus, dann sagt er: das ist das Angebot. Wenn es dir jetzt nicht so gefällt, dann probierste was anderes. Sag ich mal so… Aber das trifft eben nicht in der Breite zu, sondern der Weg ist für viele am Ende viel, viel länger. Und deswegen muss man sozusagen auch in der Breite ein entsprechendes Angebot schaffen und - aber trotzdem eben - auch weil die Breite ermöglicht dann sozusagen auch ne Spitze. Und diese Ensembles, die wir beim Deutschen Musikrat haben, sind Spitzenensembles, und da sind wir natürlich schon verschiedene Schritte weitergegangen. Sie haben eine Frage noch gestellt, die jetzt den Jazz selber betrifft. Wäre unsere Gesellschaft so wie der Jazz ist, dann hätten wir - glaub ich - deutlich weniger Probleme. Weil, es geht darum einander zuzuhören, einander Raum zu lassen, miteinander in den Austausch zu gehen und gemeinsam etwas zu schaffen. Also welch schöneres Sinnbild gibt es eigentlich für ein gesellschaftliches Zusammenleben? Wir wissen alle mit Blick in die Realität, dass es leider so nicht ist. Aber umso wichtiger ist es sozusagen, auch darauf immer hinzuweisen.
Herr Langkamp, was denken Sie aus eigener Erfahrung, wie die jungen Musikerinnen und Musiker morgen aus dem Ereignis rausgehen?
Hoffentlich sehr inspiriert durch dass das alles da passiert. Dieser ganze musikalische Kontext ist ja ne Art, auch gesellschaftliche Philosophie. Also die Offenheit, die Begegnung, die man halt über die Musik erfährt, das ist ja eigentlich eine Art Lebensphilosophie, die man halt einfach mitnehmen kann, auch in seinen Alltag. Und es geht halt nicht immer nur um Karrieren, sondern gerade beim Musikmachen geht es auch, das wird oft unterschätzt, ganz oft einfach darum Spaß zu haben. Und ich glaub diese Inspiration, die man aus solchen Events rausnimmt, ich glaub das, das kann man gut mit in seine anderen Peergroups tragen und dann ja.
Förderung, die in jungen Jahren beginnt und lebenslang prägen kann. Eine positive Gemeinschaftserfahrung und die Bedeutung eines jeden einzelnen, egal welcher Herkunft. Das jedenfalls ist die Hoffnung bei dieser Art von Förderung. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bosch und Herr Langkamp.
Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank.
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