Folge 3: Ein neuer Führungsstil beim Dirigieren? - German Conducting Award
Shownotes
Jedes Orchester braucht Führung und damit auch einen Dirigenten. Autoritäre Umgangsformen einzelner Dirigenten machten aber in der Vergangenheit Schlagzeilen. Gibt es nun die Entwicklung hin zu einem neuen Führungsstil beim Dirigieren? Im Rahmen des German Conducting Awards in der Kölner Philharmonie sprach Claudia Rometsch mit: Anna Skryleva - Generalmusikdirektorin am Theater Magdeburg Torsten Janicke - Gürzenich Orchester Köln, Konzertmeister Eva Pegel - Projektleitung Forum Dirigieren / Deutscher Musikrat
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PODCAST
Folge 3
Gemeinsam für Musik der Podcast des Deutschen Musikrates.
Hallo und willkommen, zu Gemeinsam für Musik. In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Thema Dirigieren. Jedes Orchester braucht ja Führung und damit auch einen Dirigenten. Autoritäre Umgangsformen einzelner Dirigenten machten aber in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen. Gibt es nun die Entwicklung hin zu einem neuen Führungsstil beim Dirigieren?
Wir befinden uns in einem Wandel, finde ich.
Ich habe so den Eindruck, dass da schon ein Wechsel im Denken und auch im Umgang miteinander einfach stattgefunden hat.
Setzt die junge Dirigentengeneration also weniger auf Autorität und mehr auf Kooperation? Diese These wird zumindest in letzter Zeit gelegentlich in den Feuilletons diskutiert. Das Forum Dirigieren des Deutschen Musikrates fördert seit 32 Jahren Spitzennachwuchs, unter anderem durch den internationalen Wettbewerb German Conducting Award. Wo, wenn nicht hier, könnte eine solche Frage beantwortet werden? Mein Name ist Claudia Rometsch und ich sprach am Rande des Wettbewerbs in Köln über dieses Thema mit Expertinnen und Experten.
Jedes Jahr verleiht die Jury des German Conducting Award Preise für den besten Nachwuchs. In diesem Jahr überzeugte der Peruaner Dayner Tafur-Díaz am meisten. Er gewann den ersten Preis und den Publikumspreis. Und das auch für seine gelungene Zusammenarbeit mit den Orchestern, Denn auch die spielt bei der Preisvergabe eine Rolle, erklärt der Jury Vorsitzende Prof. Hartmut Hähnchen.
Es ist einfach so, dass wir schauen nach dem Resultat am Ende. Aber wir müssen natürlich auch schauen, wie der Probenprozess läuft. Und für mich war natürlich auch spannend zu sehen, dass die Orchester ganz unterschiedlich - anders als die Jury - auf die einzelnen Kandidaten reagiert.
Hat sich denn etwas verändert in der Zusammenarbeit der Jungen Dirigentinnen und Dirigenten mit den Orchestern?
Ich habe schon das Gefühl, dass sich ein bisschen was verändert in der Art, wie die sich selber sehen und wie sie mit den Orchestermusikern umgehen.
Beobachtet Eva Pegel. Sie ist Projektleiterin des German Conducting Awards sowie des Forum Dirigieren, wo Nachwuchstalente in Kursen und Workshops gefördert werden.
Das Forum Dirigieren existiert jetzt seit 32 Jahren und auch aus dem, was ich von meinen Vorgängern gehört hab, hat sich, glaub ich, schon insofern was geändert, als dass man sich, ja, vielleicht mehr auf Augenhöhe sieht auch mit den Musikern in den Orchestern. Dass man eben auch Kritisches zulässt, dass man Fragen zulässt, dass man Feedback auch tatsächlich einfordert, wenn man sich eben selber vielleicht nicht als ja einzig wahre Instanz sozusagen wahrnimmt.
Dennoch gibt es immer wieder einmal Presseberichte über unangemessenes Verhalten einzelner Dirigenten. Dies seien aber Ausnahmefälle, meint Torsten Janicke, Jurymitglied und Erster Konzertmeister des Kölner Gürzenich Orchesters.
Ich denke mal, das, was man als das Schreckensbild von bestimmten - ich sag es mal - fast verrückten Dirigenten, also die einfach wirklich von oben herab die Musiker betrachtet haben, das gibt es so gut wie gar nicht mehr. Das sind paar Letzte, die irgendwann noch übrig geblieben sind, aber das ist nichts das, was allgemein stattfindet. Also es hat sich von daher einfach auf eine ganz natürliche Art geändert. Es ist nicht so, dass es plötzlich was Neues ist, sondern es hat sich einfach im Laufe der Jahre einfach ein bisschen verändert und ich empfinde das als angenehmer.
Eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung also, hin zu mehr Mitbestimmung, die sich auch im Musikbetrieb zeigt. Das beobachtet Jurymitglied Anna Skryleva. Als Generalmusikdirektorin in Magdeburg leitet sie selbst ein Orchester.
Ich würde sagen, dass ist auch jetzt im Wandel. So, dass dieser Abstand zwischen dem Dirigenten - dem Boss sozusagen - und Orchestermusiker:innen verkürzt sich im positiven Sinne, so dass man wirklich mehr als Partner, als Kollegen arbeitet und wir mehr im Austausch sind. Wobei trotzdem: man darf nicht - als Dirigent und als Leiter eines Orchesters - nicht vergessen, dass letztlich wollen die Musiker eine Entscheidung von dem Dirigenten doch zum Schluss haben.
Ein Führungsstil, der auf Kooperation setzt, macht es aber nicht einfacher. Vielmehr stellt er hohe Ansprüche an Dirigentinnen und Dirigenten, beobachtet Violinist Torsten Janicke.
Es ist klar, je weniger man diktatorisch sein kann, desto überzeugender muss man durch seine Persönlichkeit sein. Und dazu gehört natürlich dann auch ein gewisses pädagogisches Geschick. Aber wer in sich überzeugend ist, der muss nicht über Pädagogik nachdenken.
Dennoch brauchen Dirigenten heute mehr als hervorragende musikalische Fähigkeiten, findet Anna Skryleva.
Ich finde auch eine ganz wichtige Fähigkeit für einen Dirigenten, ist einfach analysieren zu können. Die Situation, musikalisch und auch eben psychologisch. Weil im Orchester sitzen keine Maschinen, da sitzen Menschen und die sind unterschiedlich drauf.
Auch in Konfliktsituationen sei heute ein differenzierteres Handeln erforderlich als früher.
Es kommen natürlich auch Konfliktsituationen. Es ist normal, wenn so viele Menschen zusammenarbeiten. Ja, wenn ich ungeduldig reagieren würde, dann werde ich eigentlich verlieren, sofort als Person und als Führungsperson. Weil es kommen manchmal auch Provokationen. Die Leute wollen testen, wie weit sie gehen können, ja, und wenn man darauf sehr emotional reagiert, es ist keine gute Voraussetzung. Ich finde, wenn du eine leitende Position annimmst, du musst erstmal dir gut überlegen, bevor du eine emotionale Reaktion nach außen setzt.
Wie können junge Dirigentinnen und Dirigenten sich auf diese Vielzahl von Herausforderungen vorbereiten? Das Wichtigste sei zunächst die Praxis, sind sich die Experten einig. Und da brauche es mehr Möglichkeiten für den dirigentischen Nachwuchs.
Die Musiker haben halt ihre Instrumente und die üben zu Hause und machen dort Fehler. Und wo können wir Fehler machen? Ja? Eben vor dem Orchester.
Vorbildlich für die Nachwuchsförderung sei das Kritische Orchester©, das mit dem Forum Dirigieren kooperiert. Hier bekommen junge Dirigentinnen und Dirigenten eine unmittelbare Rückmeldung von Musikern namhafter Orchester. Torsten Janicke war schon mehrfach dabei.
Die Dankbarkeit der Dirigierenden war unendlich groß. Auch wenn das Feedback manchmal für die im Moment so hart gewesen ist, weil sie völlig gestaunt haben, wieso das nicht funktioniert und wieso eine Meinung dann plötzlich zustande kommt. Aber das… ohne das Feedback kommen sie auch nicht weiter. Das heißt, wenn es Kooperationen gäbe mit mehr wirklich profi… guten Profiorchestern, dass es dort hin und wieder mal ne Möglichkeit gibt, paar Termine dort für die Studenten zu haben, dass die entsprechendes Feedback kriegen, wäre das für die Studenten toll.
Hinzu kommt aus Sicht von Anna Skryleva: Dirigentinnen und Dirigenten brauchten heute auch Managerqualitäten. Im Studium werde das bislang noch nicht hinreichend berücksichtigt.
Ich finde, dass die jungen Dirigenten auch hier in Europa… Es muss unbedingt im Studienfach Dirigieren nicht nur die Dirigiertechnik, nicht nur Musikanalyse und so weiter, was alles mit musikalischen Fähigkeiten in Zusammenhang gehört. Sondern auch alle diese Sachen, wie man mit Presse arbeitet, wie man mit den Förderern, mit Freundeskreis arbeitet, wie man mit Marketing arbeitet, also Personal-Branding, und auch über Politik, also über ein Konzertformat also und viel viel, viel mehr. Also ich finde das gehört in jedem Fall ins Studienfach Dirigieren dazu.
Das Forum Dirigieren geht bereits auf die neuen Anforderungen an den Nachwuchs ein. Etwa mit einer Akademie, in der außermusikalische Fähigkeiten trainiert werden. So zum Beispiel wird mit einem Moderationstraining die bessere Vermittlung an das Publikum eingeübt. Ein Kommunikationsseminar ist bereits auch in Planung. Alles Grundlagen für den Führungsstil der jungen Dirigentengeneration.
Es kommen ja jedes Jahr junge Leute nach und dann kriegt man natürlich auch so ein bisschen die Veränderung hautnah mit und wir versuchen darauf zu reagieren. Und mein persönlicher Eindruck ist, dass das durchaus positive Dinge sind, die sich da entwickeln.
Gemeinsam für Musik der Podcast des Deutschen Musikrates mehr über die Aktivitäten und Themen des Deutschen Musikrates finden Sie auf der Website www.musikrat.de .
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