Folge 24: Abenteuer Neue Musik
Shownotes
Abenteuer Neue Musik ist das Vermittlungsprojekt des Podium Gegenwart. Gemeinsam mit Komponist:innen der Edition Zeitgenössische Musik gehen Schulklassen auf Entdeckungsreise in die Welt der neuen Musik. Im Mai 2025 besuchte der Komponist Benjamin Scheuer eine 5. Klasse der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim und staunte darüber, wie Musiklehrerin Maria Schneider die Kinder auf das gemeinsame Komponieren vorbereitet hatte. Eva Zöllner, Projektkoordinatorin beim Podium Gegenwart, hat die Begegnung zwischen dem Komponisten und den neugierigen Fünftklässler:innen mit dem Mikrofon begleitet. Es geht um Bahnhofsklänge, Papiergeräusche und Quietscheenten, aber auch um Mut und Kreativität. Und um das besondere Potential von zeitgenössischer Musik im Schulunterricht.
Shownotes:
Dokumentation zum Vermittlungsprojekt mit Benjamin Scheuer
https://www.vermittlung-neue-musik.de/benjamin-scheuer-paperwork-und-bahnhof
Unterrichtsmaterial für Musiklehrer:innen
https://www.vermittlung-neue-musik.de/benjamin-scheuer-paperwork-und-bahnhof/unterrichtsprojekt
Porträtfilm Benjamin Scheuer
https://youtu.be/T9vPaNffuxQ?si=hnsq054wahIDmWDE
Die Durchführung des Projekts Abenteuer Neue Musik mit Benjamin Scheuer wurde von der Ernst von Siemens Musikstiftung gefördert.
Transkript anzeigen
Gemeinsam für Musik. Der Podcast des Deutschen Musikrates.
FOLGE 24: ABENTEUER NEUE MUSIK
Von Eva Zöllner.
Benjamin Scheuer (BS): Ja also erstmal denkt man natürlich: Oh Gott, kann man das, was ich da in meiner intellektuellen Bubble produziere, irgendwie Menschen vermitteln, ohne dass sie sich mit zeitgenössischer Musik schon ganz lange auseinandergesetzt haben? Und man hat natürlich auch ein bisschen Sorge, dass es da so Vorurteile gibt. Und da werde ich eigentlich jedes Mal eines Besseren belehrt.
Eva Zöllner (EZ): Das sagt der Komponist Benjamin Scheuer über seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Und damit begrüße ich Sie zu einer neuen Folge unseres Podcasts “Gemeinsam für Musik”! Mein Name ist Eva Zöllner, und ich nehme Sie heute mit auf ein besonderes musikalisches Abenteuer.
Abenteuer Neue Musik ist das Vermittlungsprojekt des Podium Gegenwart. Was dort auf den Weg gebracht wird, um Kinder und Jugendliche für zeitgenössische Musik zu begeistern, schauen wir uns am Beispiel der Begegnung des Hamburger Komponisten Benjamin Scheuer mit den Schülerinnen und Schülern einer fünften Klasse in Viernheim bei Mannheim an.
Musik der Schüler:innen der 5a der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim
Aber zunächst einmal fragen wir Olaf Wegener, den Projektleiter von Podium Gegenwart, was Abenteuer Neue Musik eigentlich ist.
Olaf Wegener: Unser Projekt Abenteuer Neue Musik knüpft an die Komponist:innenporträts der Edition Zeitgenössische Musik an und besteht im Wesentlichen aus zwei Elementen: Abenteuer Neue Musik möchte vor allem Kindern und Jugendlichen die Welt der zeitgenössischen Musik eröffnen, eine Welt, die die meisten vorher noch nicht kannten, und dann entdecken können, wie vielfältig Musik klingen kann, oder wo überall Musik drinstecken kann, abseits von dem was man normalerweise im Konzert oder im Radio hört. Bei Abenteuer Neue Musik arbeiten wir mit Musiklehrer:innen an Schulen zusammen, in deren Unterricht es dann nicht nur um das Hören von Musik geht, sondern auch um das aktive Erleben, Selbermachen und um die eigene Kreativität. Ganz wichtig bei Abenteuer Neue Musik sind die Begegnungen mit den Komponist:innen im Rahmen des Musikunterrichts. Die Komponist:innen sind zur Überraschung der Kinder und Jugendlichen dann meist ganz normale Menschen, die ihre Werke am besten und mit viel Spaß erklären können. Im besten Fall weckt man so Neugier auf mehr und erreicht eine generelle Offenheit gegenüber Dingen, die neu und vielleicht ungewöhnlich sind. Die im Unterricht entstehenden Konzepte – und das ist dann das zweite Element des Projekts – stellen wir später im Internet zur Verfügung, damit andere Lehrer:innen und Interessierte sie dann auch verwenden können und damit die neue Musik möglichst viel Verbreitung findet.
EZ: Ein aktuelles Beispiel für die Aktivitäten, die im Rahmen von Abenteuer Neue Musik stattfinden, ist der Besuch des Komponisten Benjamin Scheuer an der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim im Mai 2025. Er arbeitet in seinen Kompositionen unter anderem mit Alltagsgegenständen und lebensnahen Bezügen. Daher hat die Musiklehrerin Maria Schneider sich seine Musik für die Arbeit mit den Kindern ausgesucht. Für sie ist zeitgenössische Musik seit vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil ihres Musikunterrichts
Maria Schneider (MS): Ich finde neue Musik generell relevant, weil es ja die Musik ist, die jetzt komponiert wird. Die Komponisten leben noch, und das gehört ja in unsere Zeit. In anderen Fächern macht man auch das, was aktuell ist. Und deswegen finde ich das einen wichtigen Bestandteil des Musikunterrichts. (...) Ich finde neue Musik besonders spannend im Musikunterricht, weil alle mit den gleichen Voraussetzungen starten. Es gibt wahrscheinlich noch keinen, der jemals mit Papier fünf verschiedene Klänge gemacht hat. Und da sind die, die ein Instrument spielen, nicht irgendwie anders bevorteilt als Leute, die vielleicht kein Instrument spielen.
EZ: Wie es klingt, wenn der Komponist Benjamin Scheuer mit einer Gruppe elfjähriger Schülerinnen und Schüler ein Stück mit Papierklängen komponiert, konnten wir bei dem Schulbesuch live erleben.
Aufnahme vom Schulbesuch von Benjamin Scheuer in Viernheim
Musik der Schüler:innen der 5a der Albertus-Magnus-Schule
EZ: Bei seiner persönlichen Begegnung mit der Klasse 5a ermutigte Benjamin Scheuer die Kinder, kreativ zu sein und mit ihrer Musik Geschichten zu erzählen:
BS: Alles, was euch persönlich begeistert, könnt ihr zum Komponieren benutzen. Also es gibt, finde ich, da keine Grenzen. Also es wird oft ja gesagt, ein Klang wäre hässlich oder ein Klang wäre unangemessen, um ihn jetzt im großen Konzertsaal zu spielen, und ich glaube das nicht.Wenn euch der Klang wirklich interessiert, und wenn ihr Lust habt, damit was zu machen und ihr eine tolle Idee habt, dann solltet ihr das auch auf jeden Fall machen. Und das Entscheidende beim Komponieren ist es dann eher, was man damit macht, also wie man die Klänge an eine Reihenfolge bringt und was man damit dann auch irgendwie für eine Geschichte erzählt.EZ: Auf den Besuch des Komponisten hat Musiklehrerin Maria Schneider die Klasse über mehrere Wochen in einer ausführlichen Unterrichtseinheit vorbereitet. Scheuers Stücke „Paperwork“, eine Performance mit Zeitungspapier, und „Bahnhof“, das ist ein Stück für einen Klavier spielenden Zugbegleiter, standen dabei im Mittelpunkt und inspirierten zur Wahl der Materialien.
MS: Wir haben uns mit verschiedenen Klängen beschäftigt. Die Schüler haben selbst experimentiert, welche Klänge können sie machen mit Papier, mit der Stimme, mit Alltagsgegenständen. Dann haben wir uns noch mit dem Komponisten beschäftigt, also mit seinem Lebenslauf und auch den Film von Podium Gegenwart über ihn geschaut, den Porträtfilm. Ich glaube, das war auch sehr hilfreich, dass sie dort auch den Komponisten schon kennenlernen konnten. Und dann haben wir am Ende alles zusammengesetzt. (...)
(Arbeitsauftrag an die Klasse) Ihr komponiert ein Stück mit Papier mit möglichst vielen verschiedenen Papierklängen mit dem Kazoo, wenn ihr eins habt, mit Bahnhofsansagen, und jede Gruppe bekommt auch eine Quietscheente, die sie einbauen kann. Und der Aufbau vom Stück sollte so sein, dass ihr einen Anfang habt, den Hauptteil, am besten mit Höhepunkt, und einen wirkungsvollen Schluss.
Gruppenarbeit der Klasse 5a zum Thema Zugdurchsagen
BS: Ich fand das ganz toll, was ihr gemacht habt. Vielleicht zwei Sachen, die mir besonders gut gefallen haben: Ich fand toll, dass es bei ganz vielen Gruppen ein ganz tolles, klares und überraschendes Ende gab. Und gerade z.B. mit dem Plopp oder mit irgendeiner überraschenden Aktion, die am Ende noch passiert, fand ich das sehr überzeugend. Wisst ihr, was dabei noch wichtig ist, wenn ihr fertig seid mit der Aufführung? Was viele von euch gemacht haben, war so: fertig und dann habt ihr so geguckt und seid so irgendwie wieder weggegangen von der Bühne. Was natürlich total wichtig ist: dass man, wenn man fertig ist, einmal ins Publikum schaut und zeigt, das war's. Ihr dürft auch ruhig stolz sein.
MS: Der Komponist hat noch mal Hilfestellungen gegeben, wie man tolle Klänge erzeugen kann und zusätzlich hatte auch noch mal auf die Bühnenpräsenz hingewiesen. Dazu hatte ich zwar auch schon Übungen gemacht, aber ich finde, er hat das noch mal deutlich vermittelt, dass das eben auch sehr wichtig ist, wie man ein Stück präsentiert und nicht nur, dass es ein tolles Stück ist. (…) Das stärkt sie einfach als Person, auch die Erfahrung mit der neuen Musik und dem ganzen Abenteuer Neue Musik Projekt.EZ: Dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur viel gelernt haben, sondern dass die Begegnung mit der abenteuerlichen neuen Musik und ihrem Komponisten ihnen auch viel Spaß gemacht hat, kann man Lisa, Omar, Vera und Noemi im Gespräch anhören:
Lisa: Also, erst habe ich gedacht: was ist denn das? Aber mittlerweile finde ich die Musik eigentlich sehr spannend und anders. Andere Musikproduzenten, die machen halt andere Musik, so ziemlich normale und Benjamin Scheuer, der macht halt sowas ganz Spezielles, was ich auch davor noch nicht so gehört habe.
Omar: Ja, also am Anfang habe ich gedacht: was ist das? Es war komisch und ich habe auch ziemlich viel gelacht, weil komische Geräusche dabei waren. Aber es fühlt sich halt gut an.
Vera: Also, ich fand es einfach cool, in echt zu sehen, weil ich kannte ihn ja schon vorher und habe seine Videos ganz oft geguckt und ich fand das sehr spannend
Omar: (…) und man kann ihn halt viele Fragen stellen über die Musik und so.
Noemi: Wir konnten uns im Klassenraum ja frei bewegen und ich fand es schon spannend, wie viele Geräuschen man im Klassenraum findet und es war richtig cool.
Musik der Schüler:innen der 5a der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim
EZ: Abenteuer Neue Musik will nicht nur bei Kindern und Jugendlichen Neugier und Begeisterung für die Musik von heute wecken, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer motivieren, zeitgenössischer Musik von jungen Komponierenden in ihrem Unterricht einen Raum zu geben. Daher werden alle Unterrichtsmaterialien, die im Rahmen der Schulbesuche von Abenteuer Neue Musik entstehen, auf der Website des Projekts www.abenteuer-neue-musik.de dokumentiert und zugänglich gemacht. Hier finden sich neben Videos und Erfahrungsberichten auch fertige Arbeitsblätter. Es ist also ganz einfach, die Unterrichtseinheiten im eigenen Musikunterricht zu wiederholen.
Komponist Benjamin Scheuer gibt Lehrkräften, die bisher nicht wussten, wie sie neue Musik in ihren Unterricht integrieren sollten, noch einen Rat dazu mit auf den Weg:
BS: Ich glaube, das ging mir persönlich auch selbst so, also meine eigenen Berührungsängste mit zeitgenössischer Musik habe ich dadurch verloren, dass ich selbst welche geschrieben habe. Wenn man dann erst mal anfängt, auszuprobieren und selbst Dinge entdeckt und merkt: Das ist ja eigentlich meins, das kommt ja von mir. Wenn man sich dann Stücke anhört, und merkt, die machen ja eigentlich gar nicht so unähnliche Sachen wie das, worauf ich da gekommen bin, da hat man, glaube ich, sofort einen ganz anderen Bezug und kann es anders verstehen. Also über das Machen, das ist der entscheidende Weg. Und danach immer wieder unterfüttern vielleicht mit Bezügen zu Werken, die es schon gibt.
EZ: Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass das Projekt Abenteuer Neue Musik eine großartige Gelegenheit ist, junge Menschen für zeitgenössische Musik zu begeistern und ihnen neue Horizonte zu eröffnen. Der Besuch von Benjamin Scheuer an der Albertus-Magnus-Schule in Viernheim ist nur ein Beispiel dafür, wie solche Initiativen das Leben und die Kreativität von Kindern und Jugendlichen bereichern können. Am Ende sind die komponierenden Kinder aus Viernheim (und anderswo) vielleicht das Konzertpublikum von morgen, und auch für dieses hält das Podium Gegenwart mit seinen Förderprojekten für junge Kammermusik-Ensembles und Komponistinnen und Komponisten eine ganze Menge spannende neue Musik bereit.
Vielen Dank, dass Sie heute dabei waren! Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, abonnieren Sie gern unseren Podcast, um weitere spannende Einblicke in die Welt der Musik zu erhalten.
Bis zum nächsten Mal – machen Sie´s gut und bleiben Sie kreativ!
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