Folge 17: Der Deutsche Musikwettbewerb
Shownotes
Der Deutsche Musikwettbewerb, der nationale Wettbewerb für klassische Musik des Deutschen Musikrats, fand vom 5. bis zum 15. März 2025 in Leipzig statt. 83 junge Spitzenmusiker:innen waren in frei zugänglichen Wettbewerbsrunden in den Kategorien Violine, Viola, Klavier, Orgel, Cembalo, Blockflöte, Schlaginstrumente, Klavierduo, Ensembles für Neue Musik und Komposition zu erleben.
Die Preisträger:innen des Deutschen Musikwettbewerbs 2025 sind Julian Emanuel Becker (Orgel), Moë Dierstein (Violine), Benjamin Günst (Violine) und Robert Neumann (Klavier). Den Kompositionspreis des Deutschlandfunk erhielt Jonas Otte für sein Werk „Interlocking Distances“ für Klavier solo. Darüber hinaus wurden herausragende Solistinnen, Solisten und Ensembles mit einem Stipendium ausgezeichnet, mit dem unter anderem die Vermittlung von Konzerten im Rahmen der Konzertförderung Deutscher Musikwettbewerb verbunden ist.
Julia Kaiser hat den Deutschen Musikwettbewerb begleitet und die Preisträger:innen getroffen.
Musik:
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)
Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur, KV 216
Moë Dierstein (Violine)
Mendelssohn Kammerorchester Leipzig
Aufnahmeort: Gewandhaus zu Leipzig, Großer Saal, 15.03.2025
Julius Reubke (1834-1858)
Orgelsonate c-Moll „Der 94. Psalm“ (1857), IV. Fuge. Allegro
Julian Emanuel Becker (Orgel)
Aufnahmeort: Gewandhaus zu Leipzig, Großer Saal, 15.03.2025
Heinz Holliger (*1939)
Ma‘mounia für Schlagzeug solo und Instrumental-Quintett
Samuel Gogniat (Schlaginstrumente)
Juliane Fleischmann (Horn), Kathleen Lang (Violoncello), Andrea Meseguer Boils
(Flöte), Albrecht Scharnweber (Klarinette), Jung Eun Séverine Kim (Klavier)
Nicholas Reed (Leitung)
Aufnahmeort: Hochschule für Musik und Theater Leipzig, Großer Saal, 14.3.2025
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Gemeinsam für Musik. Der Podcast des Deutschen Musikrats.
Transkript Folge 17
In Leipzig ist am 15. März der Deutsche Musikwettbewerb 2025 zu Ende gegangen. Mit so starken Ergebnissen wie lange nicht in seiner 50-jährigen Geschichte. Wie immer haben sich die besten Studierenden an deutschen Musikhochschulen miteinander gemessen - in den Fächern Blockflöte, Cembalo, Klavier, Orgel, Schlaginstrumente, Violine, Viola, Ensembles für Neue Musik, Klavierduo und Komposition.
Mein Name ist Julia Kaiser (JK). Ich habe den Deutschen Musikwettbewerb begleitet.
Musik
JK: Höchste Qualität ihrer Ausbildung dürfen sich die Musikhochschulen in Deutschland auf die Fahnen schreiben. Das war beim Deutschen Musikwettbewerb in diesem Jahr besonders deutlich zu spüren. Die Darbietungen schon reifer Künstlerpersönlichkeiten waren herausragend. Besonders in den Soloinstrumenten-Fächern. Die Geigerin Moë Dierstein (MD) studiert in Berlin und beeindruckte die Jury durch ihre einladende Kommunikation in der Mozartinterpretation mit dem Mendelssohn Kammerorchester Leipzig.
MD: Ich habe in meiner Jugend sehr viel in dem Landesjugendorchester gespielt, in Baden-Württemberg. Und da habe ich das gelernt, dass es ganz wichtig ist, auch wenn man als Solistin eigentlich spielt, dass man trotzdem jeden Einzelnen im Orchester spürt und versucht, auch die hinterste Reihe zu erreichen, von den Geigen oder von den Celli oder was da alles sonst noch so hinter einem sitzt, dass man so ein Gefühl hat für jeden, der mit einem auf der Bühne steht.
JK: Träger des Deutschen Musikwettbewerbs ist der Deutsche Musikrat in Bonn. Deshalb findet er abwechselnd dort und an anderen Standorten von Musikhochschulen statt. Nach 2017 ist der Deutsche Musikwettbewerb 2025 zum zweiten Mal zu Gast an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Irene Schwalb (IS) leitet beim Deutschen Musikrat den Bereich Wettbewerbe und freut sich über die Gastfreundschaft.
IS: Ich finde, Leipzig ist wirklich so eine Stadt, wo man es spürt und atmet. Nicht nur Bach, sondern auch ganz viel andere Komponist:innen und überhaupt Kultur - und so barrierefreie Kultur. Und das Tolle an Leipzig ist, das sei auch mal deutlich gesagt, das ist eine Stadt, die noch wirklich bis hin zur Kulturbürgermeisterin sagt „Wir freuen uns, wir finden das toll, wir wollen, dass ihr kommt!“ und nicht erstmal „Ah,…erstmal bedenken…und vielleicht…“. Und man ist nicht sofort in dieser Bittsteller-Position, sondern Skadi Jennicke hat wirklich offen gesagt: wir freuen uns darauf, wir wollen das!
JK: Die Musikhochschule Leipzig wurde 1843 von Felix Mendelssohn Bartholdy als Konservatorium der Musik für den Nachwuchs seines Gewandhausorchesters gegründet. Der Mendelssohn'sche Geist ist hier heute noch prägend, sagt der Hochschulrektor Gerald Fauth (GF).
GF: Wir sind heute im Prinzip wirklich dafür da, dass wir genau dieses pflegen: dass Musik ein Miteinander ist, ein Füreinander, dass wir kommunizieren, nicht nur untereinander, sondern eben halt auch für die Außenwelt. Und ich erlebe diesen Wettbewerb als so ein wirklich ideales Beispiel dafür. Was man hier erleben kann, ist diese unglaubliche Vielfalt an Instrumenten, die miteinander gekoppelt sind. Ich bin jedes Mal zum Beispiel wieder baff, wenn ich die Schlagzeuger höre, was die alles so leisten und was es da für Entwicklung gibt. Und auch das instrumentale Niveau, das Persönlichkeitsniveau, das besonders in der dritten Runde, wenn dann die Teilnehmenden ihre eigenen Programme total frei gestalten können und zeigen können, was ist ihnen das Liebste, was ist ihnen wichtig? Da sieht man so viel von dem, was eine Persönlichkeit ausmacht. Und darum geht es ja auch.
Orgelmusik
GF: Kirchenmusik, besonders im Fach Orgel, war in Leipzig immer wichtig. Wir sitzen zum Beispiel jetzt hier in diesem Zimmer in dem früher Max Reger unterrichtet hat. In der Thomaskirche an der Bach Orgel zu sitzen… Man merkt, das ist ein besonderer Ort. Irgendwo ist ein Geist da, der was Besonderes ist. Und wenn man da Sensoren dafür hat, ist das einfach toll, das dann zu erleben.
Orgelmusik
JK: Diese Gelegenheit hatten die Wettbewerbs-Finalisten im Fach Orgel. Sie spielten ihre Carte blanche, also ein frei gewähltes Programm, in der dritten Wettbewerbsrunde an der historischen Sauerorgel, an der schon Max Reger musiziert hat, und an der nach historischem Vorbild neu geschaffenen Bachorgel. Der Leipziger Student Julian Emanuel Becker (JEB) erhielt für sein Programm Himmelfahrt und Höllensturz den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs.
Orgelmusik
JEB: Das Schöne am Deutschen Musikwettbewerb ist, dass man eben diese Gesamtjury hat. Dass es eben nicht nur eine Orgel-Jury ist und dass man eben auch eher über allgemeinmusikalische Dinge spricht als jetzt über instrumentenspezifische. Und das liegt mir sehr am Herzen. Und es ist auch schön, dann als Organist mal, wo man ja sonst immer so an seiner Orgel sitzt, Kontakte zu anderen Instrumentalisten zu knüpfen.
JK: Vier Preisträger gab es insgesamt. Neben Julian Emanuel Becker, die Geigerin Moë Dierstein, den Pianisten Robert Neumann und den Geiger Benjamin Günst, die alle drei an der Hochschule für Musik in Berlin studieren. Oliver Wille (OW) ist Vorsitzender des Beirats und der Konzertförderung des Deutschen Musikwettbewerbs. OW: Ich bin wahnsinnig geplättet davon, dass wir ein sehr, sehr, sehr starkes Jahr hatten. Wir hatten vor allen Dingen aus meiner Sicht in den Kategorien Violine und Klavier Leistungen, wie ich sie hier in meiner Zeit als Beiratsvorsitzender - und ich glaube, das ist jetzt mein siebtes oder achtes Jahr - noch nicht erlebt habe. Und das gibt mir Hoffnung, dass es da draußen junge Leute gibt, die wirklich innig Musik lieben, die mit aller Kraft sich ausdrücken wollen durch Töne und durch die Art und Weise, wie sie Kunst betreiben. Der Deutsche Musikwettbewerb muss sich insofern verpflichten, diese jungen Menschen zu schützen und zu fördern.
JK: Vor 50 Jahren ist der Deutsche Musikwettbewerb gegründet worden mit dem Ziel, den deutschen Spitzennachwuchs zu fördern. Oliver Wille sieht aktuell die kulturelle Exzellenz und damit auch die musikalische Exzellenzausbildung in Gefahr. Was unter den Professorinnen und Professoren in den Jurys des Wettbewerbs diskutiert wurde, sei Thema an vielen Musikhochschulen in Deutschland.
OW: Wir sind konfrontiert mit Einschränkungen und Sparmaßnahmen, durch Steuereinbußen, durch Sondervermögen, die sicherlich nicht in die Kunst gehen. Wir sehen katastrophale Entscheidungen in Berlin, in unserer Hauptstadt, die ja sich eigentlich allein durch die Kultur definiert. Und irgendwann wird es auch die Musikhochschulen treffen, das ist ganz klar. Und da können wir nur Seite an Seite mit den Ministerien, die für Kultur und Wissenschaft verantwortlich sind, dafür kämpfen, dass uns das, was wir so viele Jahre, Jahrzehnte aufgebaut haben und wofür wir berühmt sind, dass die ganze Welt nach Deutschland kommt, um hier zu studieren - und nicht nur, weil es kostengünstig ist, sondern weil es auch einen Ruf hat - dass wir das bewahren und gleichzeitig uns natürlich verändern in Richtung Zukunft. Aber nicht, indem wir alles andere über den Haufen werfen und schon gar nicht, und da mache ich mir am meisten Sorgen darum, schon gar nicht die Qualität.
JK: Die Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker an deutschen Hochschulen ist exzellent. Die Möglichkeit, Konzerterfahrung zu sammeln, aber begrenzt. Hier springt der Deutsche Musikwettbewerb ein. Die Konzertförderung des Deutschen Musikwettbewerbs vernetzt Preisträge:rinnen und Stipendiat:innen mit Konzertveranstaltern in Deutschland und mithilfe des Goethe Instituts in ganz Europa. Dabei übernimmt die Förderung einen großen Anteil der Abendgage, sodass auch kleinere Konzertreihen den musikalischen Spitzennachwuchs einladen können. Das sei das große Plus des Deutschen Musikwettbewerbs, sagt der soeben als Preisträger ausgezeichnete Pianist Robert Neumann (RN).
RN: Ich denke, da spreche ich nicht nur für mich, da spreche ich für die meisten von uns, ganz gleich, wie weit wir hier gekommen sind in den letzten Tagen. Was uns lockt, ist natürlich dieser Pool der Konzertförderung durch den Musikrat, weil das einfach zumindest über den Bund verteilt unglaubliche Möglichkeiten der Erweiterung der eigenen Netzwerke mit sich führt und ja, mein Gott, dafür tun wir es doch. Wir sind doch keine Eigenbrötler, auch wenn viele von uns so wirken.
BG: Ich glaube, vor allem bei diesem Wettbewerb geht es darum, Musik zu machen, einfach nur Musik. Kompromisslos. Und Musik machen, und das merke ich jetzt immer mehr, geht nur, wenn man mit der richtigen Einstellung da rangeht und nicht mit einer „Wettbewerbsstress-Einstellung“ irgendwie.
JK: Sagt der Geiger. Benjamin Günst (BG) Als Solistin oder Solist ausgezeichnet zu werden, sei wunderbar und bestätige sein Lebensziel. Doch das Besondere an der Konzertförderung sei für ihn, dass über den Tellerrandhinausschauen und die Möglichkeit, mit anderen geförderten jungen Künstlerinnen und Künstlern die Konzertwelt zu erkunden.
BG: Es gibt so viele tolle andere Dinge, die ich unbedingt machen will. Und das ist Kammermusik vor allem. Auch diese Vorstellung, mit Kammerorchestern zusammenzuarbeiten, ohne Dirigent, das… sozusagen Play n Conduct. Vielleicht auch Impuls geben vom Konzertmeisterpult, natürlich viel solistisch spielen, Sonaten, Recitale. Aber auch eventuell immer dirigieren oder so was. Das sind auch so Gedanken, die ich jetzt immer mehr habe, dass ich mich da noch mal rein finde.
JK: Das Netzwerk des Deutschen Musikwettbewerbs ist wie ein künstlerischer Mikrokosmos: Auf der einen Seite praxisbezogen, die Stipendiat innen und Stipendiaten lernen hier nützliches Know how, um ihre Karriere als Profis auch wirtschaftlich fundiert zu beginnen. Auf der anderen Seite steht ihnen die Welt offen, und die Welt weiß oft gar nicht, welche wunderbaren Erlebnisse die jungen Musikerinnen und Musiker anzubieten haben. Den viel zitierten Vergleich im Sport, dass es ohne Champions League keine kleinen Sportvereine gebe, münzt Oliver Wille um auf die Musik:
Der Spitzennachwuchs in allen Instrumentenfächern müsse nicht nur gefördert, sondern auch dabei unterstützt werden, sich überall im Land zu zeigen.
OW: Das heißt, es muss immer noch die Möglichkeit geben, dass Menschen staunen können über das, was junge Leute leisten können. Und das bewegt sich. Das ist dynamisch, das verändert sich. Es müssen gerade die, die ganz toll sind, also die Spitzenmusikerinnen und -musiker, die müssen in die Kommunen gehen und sagen“ Guckt mal, was ich kann, hört mir mal zu, helft mir mal dabei, dass unsere Sache lebt“, dass sie sich vorsichtig verändert, aber eben nicht auf Kosten der Qualität.
JK: Die Welt in allen Winkeln begeistern für die eigene Leidenschaft. Die Geigerin Moë Dierstein freut sich darauf, als Preisträgerin ihre Leidenschaft für ihr Instrument auch an Orte mit weniger Angeboten zu tragen. Denn dort ist oft unerwartet besonders direkter und wohltuender Zuspruch zu finden.
MD: Ich war auf einem Gymnasium mit Leuten, die überhaupt nichts mit klassischer Musik zu tun hatten, und ich fand das da schon immer spannend, weil ich dann bei Schulkonzerten oder so was dann ein bisschen Geige gespielt habe. Und dann kamen überraschenderweise viele Leute dann auch immer auf mich zu und meinten, das wäre ja irgendwie schon ganz toll und so. Und da habe ich schon gemerkt, dass es mir Spaß macht, Leuten, die eigentlich überhaupt keine Ahnung haben oder sich nie in ein klassisches Konzert so trauen würden, dass das schon die auch erreichen kann. Und das macht mich schon auch neugierig, was da so die Möglichkeiten sind.
JK: Beim Deutschen Musikwettbewerb in Leipzig war diese Neugier schon vor der Jury-Entscheidung zu spüren. Manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich auch die Auftritte der anderen angesehen. Neugier auf neue musikalische Partner hat auch den deutsch-schweizerischen Schlagzeuger Samuel Gogniat (SG) aus Lausanne nach Leipzig geführt.
SG: Was ich auch interessant finde, ist, die anderen Instrumente mir anzuhören, zu sehen, was da gemacht wird. Und wenn mir was gefällt, dann schnappe ich mir die Idee und guck, ob es irgendwie zu einbauen ist in meinem Spielen. Irgendwie einfach möglichst viel anzusehen, um neue Ideen zu kriegen. Das ist für mich Wettbewerb. Und dann, wenn mir jemand sehr gefällt und ich denke, das könnte gut klappen mit Schlaginstrumenten, dann gucke ich auch, dass wir in Kontakt kommen, dass ich möglichst weit, also nicht nur lokal und regional Kontakte habe, sondern auch außerhalb der Schweiz…
JK: Samuel Gogniat hat den Sonderpreis der Kurt Masur Stiftung erhalten für die Entwicklung junger Künstlerpersönlichkeiten. Und er ist einer der 17 neuen Stipendiatinnen und Stipendiaten des Deutschen Musikwettbewerbs und wird wie alle anderen im kommenden Jahr mit bis zu 40 Konzertauftritten seinen Hunger nach neuen musikalischen Erfahrungen stillen können.
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