Folge 12: Herausforderungen und Innovationen

Shownotes

In der neuen Podcast-Folge spricht Claudia Rometsch mit Geschäftsführer Stefan Piendl über die vielseitige Arbeit der Deutschen Musikrat gGmbH. Dabei beleuchtet er Herausforderungen der letzten Jahre, unter anderem durch Corona, skizziert strukturelle Weiterentwicklungen und aktuelle Schwerpunkte in der Projektarbeit.

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Transkript Folge 12

Gemeinsam für Musik der Podcast des Deutschen Musikrates.

SP: Was ich in den letzten Monaten sehr oft gehört habe, ist inspiriert durch einen Vortrag von drei jungen Musikerinnen in einem Preisträgerkonzert von Jugend musiziert. Die haben das Klaviertrio von Brahms, das erste, gespielt. Und das hatte ich so ein bisschen aus dem Blick und aus den Augen und den Ohren verloren über die Jahre, und das habe ich dann tatsächlich sehr oft als Kraftquelle und Inspiration mir dann wieder angehört.

CR: Willkommen zu einer neuen Folge von Gemeinsam für Musik. Heute sind wir im Haus der Kultur, das ist der Sitz des Deutschen Musikrates in der Bonner Südstadt. Mein Name ist Claudia Rometsch (CR) und ich spreche in dieser Podcast Folge mit Stefan Piendl (SP), dem Geschäftsführer des Deutschen Musikrates.

CR: Hallo Herr Piendl und schön, dass Sie sich Zeit nehmen für dieses Gespräch. Herr Piendl, zunächst einmal die Frage, was macht denn eigentlich der Geschäftsführer des Deutschen Musikrates? Was sind ihre Aufgaben?

SP: Ja, wir sind ja eine gemeinnützige GmbH. Das heißt, wir machen eigentlich nichts für uns selbst, sondern wir machen nur etwas für Musiker, wir sind für andere da, wir fördern das Musikleben in Deutschland und die Musikerinnen auf ganz unterschiedliche Weise. Und als Geschäftsführer hat man natürlich die Aufgabe, zum einen, was die Menschen betrifft, die Mitarbeitenden bei uns im Unternehmen, die hier angestellt sind - das sind etwa 70 bis 80 Personen. Und dann viele ehrenamtlich engagierte Menschen in unterschiedlichen Gremien in unseren Projektbeiräten, im Präsidium, im Aufsichtsrat, die für uns wichtig sind. Das sind mal schnell so rund 200 Personen, mit denen man mehr oder weniger regelmäßig den Kontakt hält. Und dann geht es natürlich auch um die Entwicklung der Strukturen des Unternehmens, der Strategie des Unternehmens und auch der künstlerischen und pädagogischen Fragen, die dann immer gemeinsam mit den Projektleitungen entschieden werden und vorangetrieben werden.

CR: Sie sind jetzt 6 Jahre im Amt. Welche Ziele haben Sie denn in dieser Zeit verfolgt und inwiefern hat sich das denn in neuen Projekten niedergeschlagen?

SP: Ja, da gibt es, würde ich sagen, gerade was die letzten Jahre betrifft, freiwillige Ziele, die wir angestrebt haben - lange zum Beispiel die Gründung des Bundesjugendchores. Das war uns ein großes Anliegen, und das hat dann auch geklappt. Und dann gab es die etwas weniger freiwilligen Aufgaben. Nämlich alles, was mit der Corona Pandemie zusammenhing. Da ging es ja dann drum, dass wir sehr schnell Teil von Neustart Kultur wurden, also dem Förderprogramm der Bundesregierung, um Künstler:innen durch die Pandemie zu helfen. Und da haben wir schnell neue Strukturen aufbauen müssen, weil das gehört normalerweise nicht zu unseren Aufgaben, Gelder weiterzuleiten, aber in dem Fall musste das eben schnell passieren. Und letzten Endes haben wir rund 74.000.000 Euro an über 12.000 Musiker:innen verteilen können. Und das war eine der großen wichtigen Aufgaben der letzten Jahre, die nicht geplant waren. Es ging natürlich auch sehr darum, den Deutschen Musikrat, hier die gemeinnützige GmbH in Bonn, strukturell weiterzuentwickeln, die Innovationskraft zu stärken, die Investitionen hochzufahren, das Unternehmen zu modernisieren, auch zu digitalisieren, die Unternehmenskultur ein bisschen zu verändern, mehr in Richtung Zusammenarbeit. Als ich herkam, war es doch so, dass die Projekte sehr stark für sich gearbeitet haben. Das haben wir mittlerweile so geändert, dass da ein viel größeres Miteinander, ein größeres, intensiveres Zusammenwirken entstanden ist, dass man sich gegenseitig hilft und auch die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikrat e.V. in Berlin haben wir intensiviert. Und eine ganze Reihe verschiedener Maßnahmen in diese Richtung eben auch.

CR: Ja, es gab ja auch strukturelle Veränderungen beim Deutschen Musikrat.

SP: Ja, wir haben zum Beispiel Jugend musiziert, die traditionell seit vielen Jahrzehnten in München saßen, das Team hier nach Bonn geholt, in Bonn integriert. Einfach, dass wir alle an einem Standort sind. Das hat sich auch sehr gut bewährt. Wir haben andere neue Bereiche geschaffen innerhalb des Unternehmens: Wir haben eine neue Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing gegründet, wir haben eine Stiftung gegründet. Also, es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die manchmal mehr intern sind, aber doch eben bedeutsame Veränderungen, die man nach Außen dann wahrnehmen kann und nach Außen auch spürt und für andere gemacht sind.

CR: Sie haben es jetzt gerade schon erwähnt: Ihre Amtszeit fällt in eine sehr turbulente Zeit, also Corona-Pandemie, fortschreitende Digitalisierung, auch der Ukraine-Krieg. Inwiefern hat das ihre Arbeit beeinflusst?

SP: Na ja, sehr stark. Also Ukraine ist ein gutes Beispiel. Da hat unser Bundesjugendorchester, das schon vor dem Krieg das Patenorchester des Nationalen Jugendorchesters der Ukraine war und bei der Gründung des Orchesters mitgeholfen hat, sehr schnell reagiert. Wir haben junge ukrainische Musiker:innen integriert in unsere Konzerttourneen und gemeinsame Konzerte gegeben. Die Stiftung Bundesjugendorchester hat sehr schnell Spenden gesammelt. Da sind bis zu 400.000 Euro zusammengekommen, die dann direkt als Hilfen in die Ukraine geflossen sind über das Bundesjugendorchester und die Stiftung. Also, da konnten wir direkt helfen, und das hat sich direkt ausgewirkt.

CR: Geschlechtergerechtigkeit ist ja im Moment auch ein sehr wichtiges gesellschaftliches Thema. Inwiefern spiegelt sich das in ihrer Arbeit?

SP: Ja, das war für den Deutschen Musikrat ein großes Anliegen, dass wir alle unsere Gremien - und da reden wir über 2 Dutzend mit rund 200 Menschen - mittlerweile paritätisch besetzt haben. Also alle Projektbeiräte, alle Bundesfachausschüsse des Deutschen Musikrates sind mittlerweile ausgewogen, paritätisch mit Männern und Frauen in gleichem Maße besetzt. Da sind wir sehr froh drüber und auch ein bisschen stolz, dass wir das hinbekommen haben. Bei anderen Dingen ist es natürlich schwieriger, wie schnell es sich auswirkt. Also wir versuchen sehr intensiv in den letzten Jahren den Frauenanteil zum Beispiel im Bundesjazzorchester zu erhöhen, dass ja alle 2 Jahre eine neue Besetzung bekommt. Aber wie sich das dann auch unter Umständen auswirkt, dass es mehr Frauen gibt, die Jazzposaune spielen oder so, dauert das unter Umständen Jahre, bis man das dann im Jazzorchester spürt. Aber uns ist es trotzdem gelungen, auch jetzt schon da den Anteil signifikant zu erhöhen. Auch was Jury-Besetzung betrifft. Das ist ein Dauerthema, wo man immer wieder von Neuem darauf achten muss.

CR: Zu Beginn ihrer Amtszeit haben Sie auch als eines der Ziele genannt, die öffentliche Wahrnehmung und die Wertschätzung für den Deutschen Musikrat zu steigern. Welche Bedeutung hat denn der Deutsche Musikrat und wird er denn inzwischen stärker wahrgenommen?

SP: Ja, der Deutsche Musikrat engagiert sich eigentlich für alle über 15.000.000 Menschen, die in irgendeiner Weise in Deutschland was mit Musik zu tun haben. Und oft wissen das die Menschen gar nicht, dass der Verein in dem sie sind, Mitglied in einem Verband ist und dieser Verband ist Mitglied im Deutschen Musikrat als Dachverband. Das muss auch gar nicht unbedingt sein. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass die Wahrnehmung des Deutschen Musikrates dahingehend gesteigert wird, dass man sich -vor allem bei wichtigen Partnern für uns - dessen bewusst ist. Das fängt bei unseren öffentlichen Förderern an. Der Hauptförderer ist die Beauftragte für Kultur und Medien, also zurzeit Staatsministerin Claudia Roth, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, also Bundesministerin Paus. Das sind unsere Hauptförderer. Es kommen dann weitere andere wichtige Förderer dazu wie die Kulturstiftung der Länder, die GVL und so weiter. Und da ist es natürlich auch von Bedeutung, auch wenn man dann Förderer in der Wirtschaft, Sponsoren in der Wirtschaft dazu gewinnen will, dass natürlich schon ein Bewusstsein dafür besteht, was wir an segensreicher Arbeit leisten und wieviel wir dazu beitragen, auch gerade junge Musiker:innen zu fördern. Und deshalb ist das eine wichtige Aufgabe, und das haben wir doch stark intensiviert in den letzten Jahren.

CR: Wie hat sich. Denn die finanzielle Situation des Deutschen Musikrates entwickelt? Ist es gelungen, mehr Förderer zu gewinnen?

SP: Ja, wir haben doch einen deutlichen Zuwachs an Förderung. Das ist aber verbunden mit einem großen „aber“. Das sind dann immer spezielle Zwecke oder spezielle Projekte, wie zum Beispiel der neue Bundesjugendchor, für den es auch neue Fördermittel gegeben hat, die für diesen Zuwachs sorgen. Das Problem, das wir haben - gemeinsam übrigens mit vielen anderen Kultureinrichtungen – ist, dass natürlich die enorme Inflation gerade der letzten Jahre und die auch enormen Lohnkostensteigerungen der letzten Jahre, nicht voll von den öffentlichen Förderern kompensiert wurden. Zum Teil ja, in manchen Jahren ja, aber unter dem Strich hat sich da über die Jahre natürlich eine Kostensteigerung kumuliert, die nicht voll ausgeglichen wird und die man dann doch irgendwo einsparen muss. Das geht in einem gewissen Maß, für eine gewisse Zeit mit Synergieeffekten und so weiter. Aber da sind wir jetzt doch an einem Punkt, wo da nicht mehr sehr viel Luft ist oder gar keine Luft mehr ist und wo es anfängt, weh zu tun oder in die Substanz zu gehen.

CR: Sie haben ja auch Lösungen gefunden für dieses Problem, oder?

SP: Ja, wir haben Möglichkeiten gefunden, die Not etwas zu lindern, aber gelöst ist das Problem damit natürlich noch nicht. Wir haben eine Stiftung Deutscher Musikrat gegründet, wo jetzt schon verschiedene Privatpersonen und zum Beispiel im Rahmen ihres Vermächtnisses bedacht haben, das heißt also, wir dann ein Erbe antreten können in unterschiedlicher Form. Das kann auch zweckgebunden sein für eines unserer Projekte zum Beispiel für eines der Orchester oder einen der Wettbewerbe wie Jugend musiziert. Das trägt natürlich dazu bei, unsere Finanzierung noch ein bisschen unabhängiger zu machen und breiter aufzustellen. Aber es löst nicht dieses Problem, das ich eben angesprochen hab: dass eigentlich trotz einem siebenstelligen Zuwachs an Fördermitteln unterm Strich der Handlungsspielraum dann eher kleiner geworden ist.

CR: Ja, und die Herausforderungen nehmen ja wahrscheinlich auch nicht ab. Wo liegen die besonderen Herausforderungen der nächsten Jahre aus Ihrer Sicht?

SP: Ja, also die Kulturfinanzierung, glaube ich, wird es in den nächsten Jahren weiter unter Druck geraten. Das gilt für alle Kulturbereiche und egal ob nur in den Kommunen, im Land oder auf Bundesebene. Und für uns… Wir spüren das zum Beispiel bei der Suche nach Gastgeberstädten. Wir brauchen ja jedes Jahr immer wieder mehrere Städte, die Ausrichter mit uns zusammen und Gastgeber vor allem werden, zum Beispiel für Jugend musiziert oder einen der anderen Wettbewerbe, dem Deutschen Musikwettbewerb oder die großen Amateurwettbewerbe, Deutscher Chorwettbewerb, Deutscher Orchesterwettbewerb, da sind wir ja immer in einem Land zu Gast. Und dann findet das in einer Stadt statt, die auch zur Finanzierung beitragen muss. Und da werden die. Handlungsspielräume der Kommunen oder auch der Bundesländer eher kleiner. Es wird schwieriger, da Gastgeberstädte zu finden.

CR: Welche Pläne und Visionen haben Sie denn für die Zukunft? Was wären denn so Ihre Wünsche, wo der Deutsche Musikrat in weiteren 6 Jahren steht?

SP: Wir möchten natürlich alle unsere Projekte, die wir haben, also auch die. Förderprogramme für Dirigenten, für Popbands, für zeitgenössische Komponisten oder das Musikinformationszentrum - in allen Projekten gibt es Ideen, wie man sie erweitern könnte, wie man sie verbessern könnte. Große Stichworte sind natürlich Kulturelle Teilhabe, dass man das intensiviert, dass man die Vielfalt und Diversität fördert. Nachhaltigkeit, und zwar im doppelten Sinne, also wie nachhaltig wirken die Dinge, die wir machen und wie nachhaltig sind sie in ökologischer Hinsicht? Da gibt es ganz viele Ansatzpunkte. Aber vieles davon ist natürlich auch mit den finanziellen Möglichkeiten verbunden, die man hat. Manches geht ohne Geld, mit Phantasie und Kreativität und Engagement. Aber man kommt dann doch schnell auch an den Punkt und sagt: ja, wenn wir da mehr machen wollen, dann brauchen wir auch entsprechende finanzielle Mittel. Und deshalb schließt sich dann der Kreis immer wieder an diesem Punkt, dass man gewisse Dinge, die man als Vision hat, denn eben auch erst dann umsetzen kann, wenn sich finanzielle Rahmenbedingungen verändern und daran arbeiten wir täglich.

CR: Vielen Dank.

SP: Ja, gerne, vielen Dank.

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