Folge 1: Gespräch mit DMR-Präsident Prof. Martin Maria Krüger über 70 Jahre Deutscher Musikrat
Shownotes
Martin Maria Krüger ist seit 2003 Präsident und des Deutschen Musikrates, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Deutschen Musikrates und seit 2016 Vorsitzender des Musikfonds e.V.. Anlässlich "70 Jahre Deutscher Musikrat" gibt Krüger einen spannenden Einblick in die vielfältige Arbeit des Deutschen Musikrates. Der DMR e.V. gilt als größter Musikverband der Welt mit über 100 musikalischen Fachverbänden. Die DMR gGmbH ist Träger zahlreicher nationaler Förderprojekte, darunter der Bundeswettbewerb Jugend musiziert.
Intro-Musik: Sergej Maingardt: Rush (2019) für großes Orchester, verstärktes Ensemble und Elektronik Krisztián Palágyi, Tal Botvinik, Bundesjugendorchester, Lothar Zagrosek
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PODCAST
Folge 1
Claudia Rometsch (CR) im Interview mit DMR-Präsident Martin Maria Krüger (MMK)
Gemeinsam für Musik - der Podcast des Deutschen Musikrates.
Willkommen zur 1. Folge von „Gemeinsam für Musik“. Warum starten wir diesen Podcast? Der Deutsche Musikrat feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen und er hat 70 Jahre lang die Musikkultur in Deutschland geprägt. Das ist ein Grund, die vielfältigen Aktivitäten des Deutschen Musikrates einmal genauer zu beleuchten. In diesem Podcast lassen wir Sie teilhaben an der Arbeit des Deutschen Musikrates und damit auch an aktuellen Themen des Musiklebens. Mein Name ist Claudia Rometsch und ich spreche in dieser 1. Folge mit dem langjährigen Präsidenten des Deutschen Musikrates, Professor Martin Maria Krüger.
Guten Tag, Herr Prof. Krüger.
Guten Tag Frau Rometsch!
Herr Professor Krüger, der Deutsche Musikrat ist ja der größte nationale Dachverband in Deutschland, und er vertritt mehr als 100 Fachverbände und 16 Landesmusikräte. Und damit ist er- sage und schreibe - für rund 15 Mio. musizierende Menschen das Sprachrohr. Warum braucht es überhaupt einen solchen Mammutverband?
Ich denke, es braucht ihn deshalb, weil es eine, sagen wir mal, gemeinsame Stimme - ich will nicht von übergeordnet sprechen - für das Musikleben geben muss. Es ist ja ganz normal, dass innerhalb der Bereiche des Musiklebens, nehmen wir mal nur diese Bereiche wie Kreative und die sogenannten Verwerter - ein furchtbares Wort - auch durchaus manchmal widerstreitende Interessen haben. Aber eines brauchen sie alle, und das wissen Sie. Sie brauchen ein blühendes, funktionierendes Musikleben, sie alle brauchen bestimmte Grundlagen, musikalische Bildung und so weiter. Und um diese gemeinsamen Interessen, nämlich für das Musikleben insgesamt zu vertreten, dafür ist genau dieser Dachverband, oder sagen wir auch das große Netzwerk der Musik in Deutschland da.
Darüber hinaus sieht sich der Deutsche Musikrat ja auch als Interessensvertretung professioneller Musikerinnen und Musiker. Warum ist das notwendig?
Gerade der professionelle Bereich benötigt auch immer wieder Unterstützung. Wir wissen alle vom weit verbreiteten Prekariat unter freischaffenden künstlerischen Menschen. Wir kämpfen mit einer Reihe von Verbänden um faire Vergütung und müssen sagen, dass wir jetzt in diesen Jahren - und ich denke, das ist auch aus der Erfahrung von Corona hervorgegangen - erstmals ein offenes Ohr dafür, auch bei der Politik finden. Und ich bin zuversichtlich, dass wir da zu Ergebnissen kommen. Ebenso stehen die Bühnen, stehen auch die ARD-Klangkörper zum Beispiel unter enormem Druck, was Haushalte angeht. Und auch da bedarf es politischer Unterstützung, um diese einmalige Landschaft in Deutschland von Klangkörpern von Opernhäusern zu erhalten.
Nun hat ja die Corona Pandemie Musikschaffende vor enorme Herausforderungen gestellt. Der Deutsche Musikrat hat aber einiges bewirken können - mit Hilfe von Neustart Kultur, dem Programm der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, 74.000.000€ Fördergelder standen zur Verfügung, was konnte denn mit dem Geld erreicht werden?
Erreicht werden konnte, dass 12.000 Musikschaffende in Form von Einzelstipendien unterstützt wurden - und ich möchte betonen: das war keine reine Sozialhilfe, sondern das war immer gebunden an Projekte, an bestimmte Arbeitsvorhaben, die dargelegt werden mussten - und es sind auch im großen Stil Ensembles und Klangkörper - gerade auch im Bereich der sogenannten Overheadkosten, also der ständigen Kosten - unterstützt worden, in diesem Fall innerhalb dieser 74 Mio. € mit 35 Mio. €. Und da muss man jetzt einfach auch mal sagen, wenn man das im internationalen Vergleich sieht, da hat Deutschland, da hat auch die Bundesregierung viel geleistet. Und ich sage gerne ausdrücklich ergänzend: auch zahlreiche Bundesländer haben in ihren Bereichen da auch sehr viel geleistet.
Deutschland steht also im Bereich der Musikförderung im internationalen Vergleich ganz gut da. Dennoch setzt sich der Deutsche Musikrat für Verbesserungen ein, etwa im Bereich der musikalischen Bildung. Wo liegen denn hier die Probleme?
Das größte Problem, das kann man unumwunden sagen, liegt im Bereich der Grundschulen. Das ist ja der einzige Bereich in Deutschland, wo sie alle Kinder erreichen. Auch vollkommen unabhängig von ihrer familiären Herkunft. Und dort, gerade in diesem, in diesem Bereich und in diesem Alterssegment, ist am wenigsten qualifizierter Musikunterricht gegeben. Und wir halten es für ganz wichtig, kämpfen seit vielen Jahren darum. Und es ist enorm schwierig, da Fortschritte zu erzielen, dass hier eine kompetente, durchgängige Beschulung mit Musik erfolgt.
Der Dt. Musikrat tut ja auch selbst einiges für die musikalische Förderung. Das bekannteste Projekt ist wohl Jugend musiziert, aber die Bandbreite ist ja noch sehr viel größer. Welche anderen Projekte gibt es denn noch?
Ja, wir fördern in mehreren Bereichen. Aber beginnen wir bei durchaus bei Jugendprojekten -Nachwuchsförderung, die, und das ist uns immer wichtig, letztlich die Breite erreichen und einbeziehen soll, aber bis in die Spitze reicht und diese Brücke schlägt. Jugend musiziert ist tatsächlich das bekannteste Projekt und wir sind wirklich, ja, sagen wir ruhig glücklich, dass nach Corona, das hatten wir ganz so nicht erwartet, auf Anhieb knapp 20.000 Kinder und Jugendliche wieder auf Regionalebene an Jugend musiziert teilgenommen haben in diesem Jahr. Dass wir auf Bundesebene mit dann immer noch zweieinhalbtausend Teilnehmenden eine Zahl hatten, die mit dem, was vor Corona war, absolut vergleichbar war. Das heißt auch, das Leistungsniveau hat sich gehalten. Vielleicht ist es sogar so, dass während Corona junge Menschen, die eine starke Musikaffinität hatten, die gerne musizieren, sogar besonders viel geübt haben aufgrund der Umstände. Wir haben den parallelen Wettbewerb Jugend jazzt, der praktisch für den Jazz-Bereich mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten, muss man sagen, die Parallele zu Jugend musiziert darstellt, während der Pop-Bereich in Jugend musiziert integriert ist.
Wir haben das Bundesjugendorchester als einen Klangkörper, von dem wir tatsächlich glauben, es ist der beste der Welt, muss ich sagen, der mit den größten Dirigenten arbeitet und der das Patenorchester der Berliner Philharmoniker hat. Wir haben das Bundes... - das BuJazzO sagen wir - das ist das Bundesjugendjazzorchester ursprünglich - dann sagten wir noch Bundesjazzorchester, jetzt ist es einfach das BuJazzO. Die meisten der wirklich prominenten Jazzmusikerinnen und -musiker, die in Deutschland aufgewachsen sind, hier auch ihre Bildung erfahren haben, sind durch diesen Klangkörper gegangen. Nehmen wir mal einen ganz bekannten Namen, der auch gerne selbst darauf verweist: Till Brönner.
Wir haben das Popcamp als ein Coaching Projekt für Popbands an der Schwelle zur Professionalität. Ein wunderbares Projekt auch.
Wir haben jetzt den Bundesjugendchor - seit 2 Jahren erst. Das war eine echte Lücke vorher. Und aus dem Stand heraus muss man sagen, dass da herausragende Leistungen von jungen Sängerinnen und Sängern - in der Regel Hochschulstudierende - entstehen, die auch dort sicher Wege öffnen. Vor allen Dingen auch in dem in Deutschland sehr hoch entwickelten Berufschorbereich.
Ich möchte aber auch ausdrücklich sagen, der Deutsche Orchesterwettbewerb, der Deutsche Chorwettbewerb, das sind ja die großen Wettbewerbe und Begegnungen - möchte ich betonen - des Amateurmusizierens in der Spitze, auch das ist ja musikalische Bildung. Gerade diese Verbände und Vereine leisten auch viel an unmittelbarer musikalischer Ausbildung und Bildung.
Also wir haben mehrere Säulen, die das deutsche Bildungssystem bilden. Das ist, neben den allgemeinbildenden Schulen eben, sind das die Musikschulen, denen wir natürlich auch partnerschaftlich eng verbunden sind, dem Verband der Deutschen Musikschulen.
Eine weitere wichtige Säule sind in Deutschland die privaten Musiklehrerinnen und Musiklehrer, von denen eine große Zahl im Deutschen Tonkünstlerverband zusammengefasst ist. Und das sind alle diese Verbände, die zusammengefasst sind im Bundesmusikverband Chor und Orchester, sprich alle diese unzähligen Chöre, Orchester, Bands in Deutschland und so weiter, die sich dem angeschlossen haben.
Wir haben jetzt viel über musikalische Nachwuchsarbeit gesprochen. Gibt es noch weitere Bereiche, in denen der Deutsche Musikrat fördert?
Ja, also das Amateurmusizieren erwähnte ich schon, das auch letztlich mit dem Bildungsbereich eng verbunden ist. Aber wir haben das Deutsche Musikinformationszentrum (miz), das als Anlaufstelle für das gesamte auch ganz aktuelle Wissen über das Musikleben in Deutschland vollkommen einmalig und auch mit zahlreichen Musikinformationszentren in aller Welt unmittelbar vernetzt ist. Ein wichtiger weiterer Bereich, den man gewissermaßen als Spitze der musikalischen Bildung bezeichnen könnte - nämlich im professionellen Bereich - ist einerseits der Deutsche Musikwettbewerb und andererseits das Forum Dirigieren, in dem auf einmalige Weise Dirigierstudierende und junge Dirigentinnen und Dirigenten von besonderer Begabung mit Orchestern in Verbindung gebracht werden, um regelmäßig mit ihnen arbeiten zu können. Wir haben Förderprojekte für die Neue Musik, zusammengefasst im Forum Zeitgenössische Musik (Anmerkung der Red.: gemeint ist das Podium Gegenwart).
Das ist einmal eine Edition mit Porträt-CDs herausragender junger Komponistinnen und Komponisten. Das ist auch eine ganz enge Zusammenarbeit mit dem Warschauer Herbst, mit dem wir gemeinsam gerade 20 jähriges Bestehen feiern konnten, des European Workshop for Contemporary Music. Und das ist auch ein neues Coaching Projekt für Ensembles der Neuen Musik – InSzene -, das sehr erfolgreich vom Stapel gelaufen ist. Also, es gibt da wesentliche Bereiche, in denen wir auch fördern, die nicht unmittelbar der Bildung zuzuordnen sind.
Jetzt feiert ja der Deutsche Musikrat in diesem Jahr nicht nur sein 70-jähriges Bestehen, sondern auch 6 weitere Jubiläen, darunter 60 Jahre Jugend musiziert, 40 Jahre Deutscher Chorwettbewerb und 35 Jahre Bundesjazzorchester. Daran kann man schon sehen, dass sich die Aktivitäten ja über die Jahrzehnte immer weiterentwickelt haben. Wie sehen denn die Zukunftspläne aus?
Wir haben im Moment kein unmittelbares neues Projekt dieser Art vor uns, aber wir haben Vorhaben, wir haben wichtige Themen. Und hier ist ein Aspekt, der ganz wesentlich ist, nämlich die Verbindung von Musikpolitik - für die ja der Deutsche Musikrat als Dachverband auch zuständig ist - mit den Projekten. Die Projekte sind sozusagen gelebte Politik, insofern, als sie ja auch wirksam werden sollen in der Gesellschaft. Und da haben wir jetzt Themen wie Diversität, wie Vielfalt. Diversität ist ja etwas, was auch inkludiert, sozusagen Themen wie Inklusion. Wenn Sie Diversität nehmen als Beispiel: das Bundesjugendorchester, das gemeinsam mit Gehörlosen schon aufgetreten ist. Also, diese Aspekte werden wir ausbauen. Die übrigens - muss man auch sagen - große Themen der Bundesregierung sind.
Wir befassen uns - natürlich muss man jetzt schon sagen, alle müssen das, wir bemühen uns, das hochqualifiziert zu tun - mit dem Thema KI, jetzt bevorstehend auf einem Kongress. Dann ein Thema, wo wir auch in der entsprechenden Initiative des Bundes sind, Demenz und Alter. Nichts, das weiß man ja jetzt schon, kann ja Menschen auf ihrem Weg in die Demenz so noch kreativ begleiten, noch so emotional erreichen, wie Musik. Also da wird Musik ohnehin eine zentrale Rolle spielen müssen. Dann auch das große Thema Nachhaltigkeit, das uns - wie alle - in vielfacher Hinsicht beschäftigt und weiter beschäftigen wird. Also, vor allen Dingen sind es große Themen und wir müssen schauen, wie wir denen in unseren Projekten und durch unsere Projekte begegnen. Aber gegebenenfalls im Einzelfall vielleicht auch mal temporär und nicht immer auf Dauer angelegt, auch mit neuen Projekten.
Sagt Professor Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates. Vielen Dank für das Gespräch.
Ja, herzlichen Dank auch Ihnen.
Das war die 1. Folge von gemeinsam für Musik. Weitere Informationen über die Aktivitäten des Deutschen Musikrates finden Sie auf der Website www.musikrat.de. Vielen Dank für ihr Interesse und wenn Sie weiter über die Themen des Deutschen Musikrates informiert bleiben möchten, freuen wir uns, wenn Sie unseren Podcast abonnieren.
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